Rezension „Ein Mann seiner Klasse“ von Christian Baron
Ein guter Rat an Autoren lautet: Hüte dich vor Klischees. Christian Baron muss sich um Klischees nicht kümmern, denn sein Werk ist autobiographisch, und nicht fiktional. Er schreibt sich auf 280 Seiten seine Wut, seine Trauer, seinen Kampf von der Seele, so scheint es, und gleichzeitig ist das Buch von einer unaufgeregten Nüchternheit getragen. Die tut auch gut, denn eine stärkere Verdichtung hätte manche Passagen, die so schon harter Tobak sind, schwer erträglich gemacht.
Der Mann seiner Klasse ist sein Vater, Arbeiter, Gelegenheitsdieb, Alkoholiker und Familienschläger. Da fliegt die Mutter schon mal durch den Raum mit dem Kopf an die Wand, da machen die Nachbarn das Radio lauter, wenn der Vater mal wieder die ganze Familie verprügelt. Zu allem anderen Übel stirbt die Mutter jung an Krebs. Ja, der Vater versäuft regelmäßig das Haushaltsgeld, aber für die Armut ist nicht er verantwortlich. Es sind die Verhältnisse, in denen die Familie lebt, und eine Gesellschaft, die nicht sehr durchlässig ist zwischen ihren „Klassen“. Das kann das Kind Christian nicht erkennen, aber der Autor Baron kann es.
Christian Baron hat es geschafft, dennoch Abitur zu machen, zu studieren und heute als Redakteur sein Geld zu verdienen. Wie schwer es ist, aus einem bildungsfernen Haus, aus widrigsten Umständen, aus emotionalen Verwicklungen dennoch einen anderen Weg als Hartz4 und Minijobs einzuschlagen, wird hier eindrucksvoll beschrieben. Aber das ist eigentlich nur Nebenhandlung.
Vielmehr geht es ihm um die vielen Gefühle, die Ängste, die Hoffnungen, auch die enttäuschten, die Zu- und Abneigungen, die in solch einem „dysfunktionalen“ Familienumfeld aufkommen. Um die Liebe zu einem Menschen, der zu lieben und geliebt zu werden nie vermocht hat.