Rezension des Romans „Eine kurze Geschichte von sieben Morden“ von Marlon James
Bei einem Buch mit 850 Seiten, das im Titel „eine kurze Geschichte“ trägt, erwartet man eine gewisse Ironie. Tatsächlich hat das Buch eine erstaunliche Leichtigkeit, was vor allem daran liegt, dass jedes Kapitel aus der Sicht einer Figur geschrieben ist. Und damit man nicht durcheinander kommt, empfängt einen das Buch mit 5 Seiten Personen-Übersicht.
Mit dieser maximal subjektiven Perspektive bleibt der Ton immer leicht, direkt und sehr unverstellt. Das heißt nicht, dass alles leicht zu ertragen ist. Immerhin spielt es zu einem großen Teil in den Slums von Kingston, Jamaica. Da ist fast nichts leicht. Die dort leben, versuchen dennoch, ihr Leben leicht zu nehmen, und wenn als Gang-Boss dazugehört, ins verfeindete Wohngebiet zu fahren und einen Haufen Männer, Frauen und Kinder zu erschießen, fällt ihm selbst das nicht schwer.
Der Mordanschlag an Bob Marley 1976 ist das Epizentrum dieses Romans, der sich irgendwie in alle Personen und Geschichten einschreibt, obwohl er im Buch nur einen kleinen Teil einnimmt. Aber immer wieder nehmen die Akteure aus verschiedenen Blickwinkeln Bezug darauf, weil dieser mit seiner Musik, seiner Religiosität als Rastafari, aber vor allem mit seinem Aussöhnungsversuch sehr viel Einfluss in dieser Zeit hatte, in der das Buch spielt. Er galt dabei fast als Heiliger, als unangreifbar. Deshalb war der Angriff aus sein Haus, in dem neben Musikern auch Gang-Bosse und sogar Politiker verkehrten, als solcher Schock für viele Jamaicaner.
Die radikal subjektive Erzählweise macht es auch möglich, um dieses Epizentrum herum den jeweiligen Personen zu folgen, deren Leben teilweise ineinander verstrickt sind. Es sind vor allem Menschen, deren Leben nicht einfach ist zwischen Gangkriegen, Drogen, Armut, Korruption, Kommunismusangst und Staatsversagen.
Und deren Leben und Erleben in so krassem Widerspruch steht zu dem paradiesischen Mythos Jamaica. Ein fantastisches, vielfarbiges, radikales Buch.